Sandra
SCAD in der Schwangerschaft
Im Mai 2024, während meiner 33. Schwangerschaftswoche, wurde mein Leben unerwartet auf den Kopf gestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich kerngesund, selber Ärztin von Beruf, und hatte bis dahin eine unkomplizierte Schwangerschaft. Ich fühlte mich fit, war lange arbeiten und seit kurzem im betrieblichen Beschäftigungsverbot. Am Tag vor dem Ereignis verbrachte ich eine schöne Zeit mit meiner Familie und Freunden, war frühstücken und shoppen – nichts deutete auf das hin, was folgen sollte.
Plötzliche Symptome und eine unklare Diagnose
Am 8. Mai 2024 wachte ich gegen sechs Uhr morgens mit extremem Herzrasen (Tachykardie) auf. Ich war kaltschweißig und verspürte Übelkeit. Ich konnte es nicht genau benennen, aber ich wusste: Etwas stimmt überhaupt nicht. Ich weckte meinen Mann und sagte ihm, dass wir in die Klinik fahren müssten. Da ich mich noch nie so gefühlt habe und zum ersten Mal Schwanger war, ging ich davon aus, dass die Symptomatik am ehesten mit meiner Schwangerschaft zusammenhängen müsste und vermutete, dass ich im Zweifel verfrühte Wehen habe.
Im Auto wurde mir dann schwarz vor Augen, meine Sehkraft verschwand für etwa zehn Minuten, und ich begann zu erbrechen. Mich ereilte der unangenehme Gedanke, dass ich langsam in einen Schockzustand geraten würde. Als wir die Uniklinik erreichten, verschwanden meine Symptome überraschenderweise. Ich fühlte mich noch schlapp und wackelig, aber die Tachykardie und die Sehstörungen waren verschwunden. In der Notaufnahme angekommen, klärte ich an der Anmeldung meine Symptome. Eine aufmerksame Schwester hielt mich von der Überweisung in den Kreißsaal ab und sorgte dafür, dass ich zuerst internistisch und neurologisch untersucht wurde.
Die Diagnose SCAD – eine seltene und lebensbedrohliche Erkrankung
Nach einer neurologischen Untersuchung wurde ich von einer Internistin auf einen Überwachungsplatz gesetzt. Mein EKG zeigte auffällige Senkungen und Hebungen, die jedoch zunächst als Fehlmessung angesehen wurden. Ein Kardiologe kam, führte ein Echo durch und schien mich nicht wirklich ernst zu nehmen – eine 30-jährige, schwangere Frau mit Herzrasen? Bestimmt eine Überreaktion.
Aufgrund des auffälligen EKGs erfolgte eine mehrstufige Troponinbestimmung. Im Aufnahmelabor zeigte sich zunächst ein unauffälliges Troponin, doch bereits nach einer Stunde zeigte sich ein erhöhter Troponinwert. Auch hier vermutete der Kardiologe zunächst eine Fehlmessung.
Als das Troponin weiter stieg, wurde klar: Etwas Ernstes liegt vor. Plötzlich musste alles ganz schnell gehen. Der Kardiologe kam mit einer Notfalltasche und erklärte mir, dass wir jetzt sofort ins Herzkatheterlabor müssten. Ein MRT sei aufgrund der Schwangerschaft nicht möglich. Ich war schockiert und verstand die Situation nicht mehr. Noch vor wenigen Minuten hatte ich gedacht, das Ganze sei ein Fehlalarm. Jetzt lag ich auf dem Tisch im Herzkatheterlabor und verstand nicht welche Verdachtsdiagnose die Kollegen verfolgen. Während mein rechter Arm bereits für die Untersuchung vorbereitet wurde, musste ich auf dem Untersuchungstisch mit Links die Notfallaufklärung unterschreiben.
Die Untersuchung war schmerzhaft. Zum Schutz meines ungeborenen Babys wurde mein Bauch mit mehreren Röntgenschürzen abgedeckt, und die Untersuchung erfolgte über die Armarterie. Zweimal erlitt meine Arterie einen Gefäßkrampf (Vasospasmus). Ich bekam Beruhigungsmittel und nahm die Diskussionen der Ärzte nur am Rande wahr. Nach der Untersuchung, auf der kardiologischen Überwachungsstation angekommen, wurde mir schließlich mitgeteilt, dass ich eine spontane Koronardissektion (SCAD) hatte – ein seltenes Ereignis, das insbesondere junge Frauen und Schwangere betreffen kann.
Eine riskante Geburt unter besonderen Bedingungen
Auf der Intensivstation angekommen, informierten mich die Ärzte, dass mein Sohn aufgrund der nötigen dualen Plättchenhemmung und der unklaren Lage in den nächsten zwei Tagen per Kaiserschnitt geholt werden müsse. Doch dann die nächste Wendung: Mein kardiologischer Zustand war zu instabil für diesen Eingriff. Aufgrund der Komplexität meiner Situation gestaltete sich die weitere Therapieplanung schwierig. Es erfolgte eine große interdisziplinäre Besprechung, um das bestmögliche Verfahren für mich und meinen Sohn festzulegen. Mir wurde jedoch deutlich gemacht: Sollte sich mein Zustand verschlechtern, würde mein Leben Vorrang haben. Diese Worte trafen mich tief.
Ich verbrachte fünf Tage auf der Intensivstation und wurde dann auf die Normalstation verlegt. Doch schon am ersten Tag in der Kardiologie bekam ich Wehen und wurde in die Frauenklinik verlegt. Hier stabilisierte sich meine Wehentätigkeit – aber ich musste stationär bleiben, bis mein Baby per geplantem Kaiserschnitt geholt werden konnte.
In der 38. Woche wurde mein Sohn planmäßig geboren – aber nicht wie andere Babys im Kreißsaal. Mein Kaiserschnitt erfolgte in der Herz-Thorax-Chirurgie, mit einem kompletten Herzkatheter-Team bereit für den Notfall. Ich wurde intensiv vorbereitet, erhielt einen Arterienzugang, einen zentralen Venenkatheter und Herzkatheterschleusen. Da die Narkosezeit für mein Baby möglichst kurz sein sollte, musste ich während der Vorbereitung wach bleiben – ein unangenehmes Erlebnis.
Der Eingriff selbst erfolgte in Vollnarkose. Ich konnte die Geburt nicht miterleben, aber meine Hebamme brachte meinen Sohn sofort nach der Geburt zu meinem Mann. Später im Aufwachraum durfte ich ihn endlich sehen. Danach musste ich erneut auf die Intensivstation – während mein Mann und unser Sohn die erste Nacht auf der Wöchnerinnenstation verbrachten. Es war schwer, nicht bei meinem Neugeborenen zu sein, aber ich wusste, dass er in den besten Händen war.
Nach insgesamt sechs Wochen in der Klinik durfte ich endlich nach Hause. Als mein Mann mich mit unserem Sohn in den Armen nach Hause fuhr, liefen mir die Tränen über mein Gesicht. Es war überwältigend. Heute ist mein Sohn neun Monate alt. Ich bin medikamentös gut eingestellt und stabil. Die Zeit der Erholung ist nicht einfach, aber ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören. Mein SCAD-Erlebnis hat mir gezeigt, wie zerbrechlich, aber auch wie stark ich bin. Und vor allem: wie wertvoll das Leben ist.

Karos Geschichte
Kerngesund und trotzdem Herzinfarkt?


Sandras Geschichte
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